Ich absolviere aktuell die Spitzensport-Rekrutenschule in Magglingen, dies als erste Tennisspielerin überhaupt. Der Grund weshalb ich mich dafür entschieden habe, ist zum einen die finanzielle Unterstützung, die wir Sportsoldaten erhalten und zum anderen die guten Trainingsmöglichkeiten kombiniert mit militärischer Ausbildung. Ich habe mich zwar bereits vor Corona dafür verpflichtet, aber die aktuelle Lage macht die Entscheidung noch besser.
Eine von 50
Ich verpasse somit im Moment keine Turniere und würde ja auch sonst trainieren. Die Spispo- RS setzt sich aus allgemeiner Grundausbildung, Militärsportleiterausbildung und individuellem Training zusammen. Nur 50 Athleten und Athletinnen jährlich schaffen den Aufnahmeprozess bis in die Spitzensport-RS und ich bin stolz darauf, dass ich eine davon bin. Jede und jeder hier weiss also, wie privilegiert wir sind. Als Privileg sehe ich es deshalb an, weil wir die Auserwählten sind, die nicht die volle militärische Ausbildung absolvieren müssen, sondern deren Fokus auf der Leistungssteigerung in den individuellen Sportarten liegt. Dieser Fokus ist hier in Magglingen deutlich spürbar. Natürlich gelten in den militärischen Bereichen auch für uns strenge Regeln. Wie diese so aussehen werde ich im folgenden Tagesablauf etwas beschreiben.
Wie sieht also ein typischer Tag in Magglingen in der RS aus? Diese Frage stellen sich bestimmt viele, welche noch nie von der SpiSpo gehört haben. Ich möchte aufzeigen, wie es hier zu und hergeht, damit man sich ein Bild von unserem Alltag machen kann. Der folgend beschriebene Tagesaublauf ist ein „normaler“ Tag in den ersten zwei Wochen, in Zukunft wird sich dies etwas ändern, ich werde dann davon berichten.
Frühe Tagwacht
Um 6:30 findet das tägliche Antrittsverlesen draussen statt. Dies bedeutet, dass alle Rekruten und im richtigen Tenue um 6:20 in Formation auf dem AV-Platz bereitstehen. Unpünktlichkeit wird keinesfalls geduldet. Dann wird eine Anwesenheitskontrolle von den Vorgesetzten durchgeführt, wir singen die schweizerische Nationalhymne und uns wird der Tagesablauf erklärt. Um auch wirklich wie Rekruten auszusehen, waren wir am zweiten RS Tag in der Kaserne in Wangen, um Material zu fassen. Auf dem Bild seht ihr unsere gesamte Ausrüstung ausgebreitet.
Vom Sportdress in den Kampfanzug…
Somit tragen wir zum AV immer das Tenue B (Kampfanzug). Ja das Tenue ist definitiv gewöhnungsbedürftig. Anschliessend dürfen wir frühstücken gehen. Der nächste Treffpunkt ist um 7:30 bei den Fahrzeugen. Entweder verschieben wir ins Zeughaus nach Biel oder haben Ausbildung in Magglingen. Nun geht es also los mit Militär. Einige Beispiele an militärischer Ausbildung die wir bis jetzt absolviert haben:
Wir lernten die militärischen Formen und alle Grade auswendig und begannen mit der Zugschule, also «Marschieren in Formation». All diese Dinge stehen auf dem Programm der allgemeinen Grundausbildung und erfordern einiges an Konzentration. Vieles ist anders als im zivilen Leben, man kann Vorgesetze nicht einfach beim Namen ansprechen. Es ist jeweils der Grad des Vorgesetzten gefolgt von meinem Grad und Nachnamen, also Rekrut Züger, zu nennen. Erst dann darf man den Vorgesetzten ansprechen. Auch wird beim Aufruf des eigenen Namens immer ein lautes HIER verlangt.
…und wieder zurück
Gegen Mittag verschieben wir zurück nach Magglingen, um zu Mittag zu essen. Ab dann haben wir Zeit für unsere individuellen Trainings. Der Kampfanzug wird gegen das Tenue Sport eingetauscht. Das Wechseln von Militär zu Training war anfangs eine Herausforderung. Einfach den Schalter umlegen war nicht so einfach., doch ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Ich habe ein Konditionsprogramm von meinem Trainer in Basel erhalten und mache mein Tennistraining bei Swiss Tennis in Biel. Dies in Zusammenarbeit mit meinen Trainern und funktioniert soweit einwandfrei. Es macht mir Spass mal etwas Neues zu machen und Abwechslung in meinen Alltag zu bringen. So trainiere ich also nachmittags drei Stunden auf dem Platz in Biel.
Wenn die Stiefel glänzen müssen
Gegen 18:00 bin ich meistens fertig und fahre wieder zurück nach Magglingen. Bis 19:30 haben wir Zeit für das Duschen und Abendessen, dann ist der nächste Treffpunkt wieder im Tenue B auf dem AV-Platz. Nochmals zweieinhalb Stunden militärische Ausbildung, der Ablauf ist also sehr getaktet. Am Abend steht Kampfstiefel putzen auf dem Programm, dies auch noch unter Zeitdruck. 3 Minuten Zeit, um Putzzeug und Turnschuhe im Zimmer zu holen, ist auch für Spitzensportler sehr knapp berechnet. Also rennen wir alle los und poltern mit unseren Kampfstiefeln, welche wohlbemerkt nicht sehr beweglich sind, die Treppen hoch in den 7. Stock, suchen alles zusammen und rennen wieder zurück. Ist einer vom Zug zu spät haben wir alle die Aufgabe nicht erfüllt, denn im Militär sind wir eine Einheit und nicht einzelne Personen. Auch an das muss ich mich als Einzelsportlerin erst einmal gewöhnen.
Dann werden die Schuhe geschrubbt und mit Schuhfett poliert. Nach dieser Aktivität feilen wir noch weiter an unseren Gradkenntnissen und üben das Korrekte An- und Abmelden, denn es muss perfekt sitzen. Um 21:00 ist dann Schluss mit Programm und wir haben ein wenig Freizeit. Wie schon gesagt, alles ist durchgeplant und es bleibt nicht viel Spielraum. Um ehrlich zu sein bin ich die ersten Tage direkt ins Bett gegangen, obwohl die Nachtruhe erst um 22:00 ist.
Corona ist omnipräsent
Auch im Militär ist Corona ein sehr grosses Thema. Die Massnahmen sind strikt und wir tragen immer eine Maske. Oft ist es umständlich und die Vorgesetzten müssen etwas flexibler sein als sonst. Schon in der ersten Woche befanden sich acht Athleten in Quarantäne. Auch geht unter diesen Umständen das Kameradschaftliche beisammen sein etwas verloren. Das ist sehr schade, aber wir machen einfach das Beste draus.
Dieses Programm mag sich streng anhören, doch es ist absolut machbar. Vor allem weiss ich, dass nur die ersten zwei Wochen so vollgeplant sind und wir danach abends kein Programm mehr haben werden. Die militärische Ausbildung macht mir auch wirklich Spass, mehr als ich gedacht hätte. Eine Einheit sein und einander zu helfen ist eine gute Sache und gleichzeitig – wie auch der Spitzensport – eine Schule fürs Leben. Disziplin wird hier grossgeschrieben und ich denke, dass dies jedem hier gut tut. Natürlich ist Schuhe putzen nicht meine Lieblingsbeschäftigung und man sieht auch nicht immer so aus, wie man es vielleicht gerne möchte, die Frisur sitzt nicht perfekt, aber es gehört nun mal dazu. Ich habe mich für das Militär entschieden, also ziehe ich es durch so wie es von mir verlangt wird.
Bis jetzt sehe ich die Spitzensport-RS nur positiv. In der Ausbildung habe ich viel Neues gelernt, wie zum Beispiel eine Krawatte zu binden. Der Austausch mit anderen Athleten und Athletinnen ist motivierend und man trifft coole Leute, die ähnlichen Ziele haben, somit versteht man sich auch sehr gut. Dies ist ein weiterer positiverer Punkt, welcher mir zeigt, dass meine Entscheidung die richtige war. Ich bin froh hier zu sein, gerade in dieser schwierigen Zeit, wo ich wegen Corona sowieso keine Turniere hätte spielen können. So – das wars für heute: Rekrut Züger meldet sich ab – bis bald.